Wie Wasser zur Ware wird

Urs Schnell und Res Gehriger beleuchten in einem eindrücklichen Film die Rolle, die der Nestlé-Konzern bei der Ausbeutung natürlicher Wasserquellen spielt. Die Initianten der Konzernverantwortungs-Initiative zeigen den Film am 30. November im Reformierten Kirchgemeindehaus Bonstetten.

Rezensionen zum Film:

WOZ: Von Sonja Wenger

Es sei «der falsche Film zur falschen Zeit», sagte ein Vertreter des Lebensmittelkonzerns Nestlé den Schweizer Journalisten und Filmemachern Urs Schnell (Regie) und Res Gehriger (Recherche). Gemeint war ihr Film «Bottled Life – Nestlés Geschäfte mit Wasser», der seine Premiere an den Solothurner Filmtagen feiert.

Tatsächlich könnte der Zeitpunkt für den ersten Dokumentarfilm, der sich spezifisch mit Néstles Wassergeschäft auseinandersetzt, besser nicht sein. So deklarierte 2010 die Uno den Zugang zu sauberem Trinkwasser als Menschenrecht. Die Erfüllung dieses Rechts liegt für über eine Milliarde Menschen aber noch immer in weiter Ferne. Laut Maude Barlow, der ehemaligen Chefberaterin der Uno für Wasserfragen, sterben deswegen jährlich mehr Menschen als durch HIV / Aids, Malaria, Kriege und Verkehrsunfälle zusammen.

Gehriger und Schnell sind um die halbe Welt gereist, um die Rolle zu beleuchten, die der Konzern Nestlé im enorm lukrativen Wassergeschäft spielt. Sie zeigen dabei auf, dass es mit der von Nestlé-Chef Peter Brabeck gern zitierten Unternehmensverantwortung nicht weit her ist. Beispiele aus Pakistan, Nigeria und den USA verdeutlichen, dass für Nestlé vor allem Brabecks Leitmotiv gilt, dass «Wasser ein Lebensmittel ist und deshalb, wie jedes andere Lebensmittel auch, einen Marktwert haben sollte». In vielen Ländern zapft der Konzern das Grundwasser ganzer Regionen ab und verkauft es dann wieder der lokalen Bevölkerung – zu überteuerten Preisen und ohne sich um die langfristigen Folgen der sinkenden Grundwasserspiegel zu kümmern. Für Barlow handelt es sich dabei um eine «kriminelle Unternehmenspolitik».

Wie gewohnt nimmt Nestlé auch zu den Vorwürfen in «Bottled Life» keine Stellung: Trotz wiederholter Interviewanfragen hat der Konzern bis heute auf keine der Fragen von Gehriger geantwortet, Nestlés Tore blieben dem Journalisten weltweit verschlossen. Eine Tatsache, die die Notwendigkeit dieses Dokumentarfilms zusätzlich unterstreicht.

Aargauerzeitung: Wie Nestlé das Wasser abgräbt

Aufschlussreicher Einblick in ein Milliardengeschäft: Der Schweizer Dokumentarfilm «Bottled Life»

Nestlé, das grösste Industrieunternehmen der Schweiz und der weltweit grösste Lebensmittelkonzern erwirtschaftete 2010 einen Umsatz von 110 Milliarden Franken – mit happiger Gewinnmarge. Unzimperlich waren die Methoden des Konzerns schon immer, wenn es darum ging, in neue Länder und Geschäftszweige vorzustossen. Kritik hat der Gigant mit Sitz in Vevey VD dabei regelmässig einstecken müssen: wegen aggressiver Verkaufsmethoden von Säuglingsnahrung, wegen des Verdachts gentechnischer Zutaten, wegen Rodung von Regenwald. Ein bisher wenig beleuchtetes Geschäftsgebiet des Lebensmittelkonzerns hat sich die Filmproduktionsfirma Doklab vorgeknöpft: Nestlés Geschäft mit dem Wasser. Nestlé besitzt weltweit 70 verschiedene Wassermarken, zu den bekanntesten gehören Perrier, San Pellegrino und Vittel, in der Schweiz auch Henniez. Und Nestlé setzt jährlich mit abgepacktem Wasser zehn Milliarden Franken um – immer stärker in der Dritten Welt.

Doch gesprächig sind die Nestlé-Manager beim Thema Wasser nicht. Auf Anfrage des Recherche-Teams verweigern sie Interviews wiederholt. Der Co-Autor und Rechercheur des Dokumentarfilms «Bottled Life», Res Gehriger, lässt sich davon nicht abhalten und begibt sich auf Recherche-Reise nach Äthiopien, in die USA, nach Nigeria und Pakistan. Wie Nestlé rücksichtslos im US-Bundesstaat Maine Quellgebiete aufkauft, belegen Gehrigers aufsässige Recherchen genauso, wie die fatalen Auswirkungen des 1998 lancierten Produktes «Pure Life». «Pure Life» ist gereinigtes Grundwasser, angereichert mit einem Mineralien-Mix nach Nestlé-Geheimrezept. Die Idee stammt von Peter Brabeck (Nestlé CEO von 1997 bis 2008, heute VR-Präsident). «Pure Life» ist heute das meistverkaufte Flaschenwasser der Welt. Doch wegen «Pure Life», zeigt der Dokfilm «Bottled Life» auf, beklagen sich die Anwohner von Nestlés Wasserfabrik in Pakistan über sinkende Grundwasserspiegel. Und in Nigeria trinkt die Oberschicht «Pure Life», die Slum- Bewohner benötigen dagegen die Hälfte ihres gesamten Budgets, um Wasser in Kanistern zu kaufen. Nestlé schweigt kategorisch in «Bottled Life». Nicht so Maude Barlow, UN-Chefberaterin in Wasserfragen. «Nestlé ist ein Wasserjäger, ein Raubtier auf der Suche nach dem letzten sauberen Wasser dieser Erde», zeigt sie sich in «Bottled Life» bestürzt. Keine andere Sparte ist für Nestlé so lukrativ wie das Wasser-Business: Eine Wagenladung Wasser kostet Nestlé in den USA 10 Dollar – im Verkaufsregal belaufen sich die Einnahmen dann auf 50 000 Dollar. Von Nestlé musste sich «Bottled Life»-Regisseur Urs Schnell zu Beginn der Dreharbeiten anhören, dass es sich um den falschen Film zur falschen Zeit handle. Schnell: «Heute wissen wir warum. Peter Brabeck macht schöne Worte an grossen internationalen Veranstaltungen. Im Dorf neben der grössten Nestlé-Flaschenwasserfabrik in Pakistan hingegen muss die Bevölkerung verschmutztes Wasser trinken. Was hat das mit der firmeneigenen Sozialverantwortung zu tun, die der Verwaltungsratspräsident predigt?» Auf eindringliche Art zeigt der Film den Kampf ums Wasser auf. Ein Kampf, der künftig noch viel stärker werden wird. Die Erdbevölkerung wächst, und die Lebensmittelmultis erzielengleichzeitig ein Bombengeschäft mit Wasser. «Bottled Life», spannend aufbereitet und gut gefilmt, vergegenwärtigt eines der grössten Probleme der Welt – und taugt auch als Lehrfilm an der Schnittstelle von raffgierigem Kapitalismus, Armut und Umweltschutz. WIE SCHLEICHEND DER Vorgang ist, dass Multis der Welt das Wasser abtragen, verdeutlicht in «Bottled Life» die Aussage von Ahmad Rafay Alam, Rechtsanwalt am Lahore High Court: «Was in den letzten fünfzehn Jahren passierte, was ich selbst erlebt habe, ist die Verdrängung des normalen Trinkwassers, die  Umwandlung von Trinkwasser in eine Ware. Ich sage nicht, Nestlé sei alleine verantwortlich. Nestlé tauchte auf, begann, ‹Pure Life› anzubieten. Plötzlich erschien Coca-Cola, Pepsi kam dazu, dann eine ganze Anzahl privater, lokaler Anbieter. Alle produzieren sauberes Wasser, weil die uralte Infrastruktur der öffentlichen Versorgung versagt. Und bevor es dir bewusst wird, zahlst du für ein Glas Wasser 15 Rupien.»

«Bottled Life», 90 Min. Urs Schnell, Res Gehriger

Autor: Roger Schuhmacher

Umweltschützer, Fan von neuen Wegen und gemeinsam erreichten Zielen.

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